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Jay Kristoff

Nevernight: Die Prüfung

  • Autor:Jay Kristoff
  • Titel: Nevernight: Die Prüfung
  • Serie:
  • Genre:
  • Einband:Hardcover
  • Verlag:FISCHER Tor
  • Datum:24 August 2017
  • Preis:18,00 EUR

 
»Nevernight: Die Prüfung« von Jay Kristoff


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(5)

 
 
Im Alter von zehn Jahren muss Mia Corvere miterleben, wie ihre heile Welt den Bach runtergeht. Ihr Vater wird öffentlich als Verräter gehängt, ihr Mutter und ihr Bruder werden ins Verlies geworfen und sie soll im Fluss ertränkt werden. Mit viel Glück kann zumindest sie ihrem angedachten Schicksal entkommen. Auf der Flucht vor ihren Häschern entdeckt sie eine neue Fähigkeit bei sich – sie ist eine Dunkelinn, ein Mensch, der in den Schatten lebt, mit ihren sprechen und sich ihrer bedienen kann. Eines dieser Schattenwesen, welches fortan ihr neuer Begleiter wird, hat die Gestalt einer Katze und wird von Mia nur Herr Freundlich gerufen.

Immer dann, wenn Mia in eine gefährliche Situation gerät, „trinkt“ Herr Freundlich ihre Angst, ernährt sich von ihr, und macht Mia dadurch zu einem furchtlosen Mädchen. Das sollte Mia auch sein, denn nachdem sie ihrer Famile beraubt wurde, hat sie nur einen Gedanken: Rache an denen zu nehmen, die sie in diese Lage gebracht haben. Und bei diesen Leuten handelt es sich nicht um irgendwen, sondern um die drei mächtigsten Männer der Republik.

Um ihren Plan zu verwirklichen, läßt sie sich von dem alten Händler Mercurio zu einer angehenden Assassine ausbilden. Ihren letzten Schliff als gedungene Mörderin soll die nun sechzehnjährige im Hauptquartier der Roten Kirche bekommen, dem Sitz der Assassinengilde. Allerdings entpuppt sich die Ausbildung für die meisten ihrer Mitschüler als tödlich, was nicht sonderlich verwunderlich ist, bedenkt man, dass ihre Ausbilder gnadenlose Killer sind.

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Auch wenn ich mich nicht als Fantasy Fan bezeichnen würde, lese ich ab und an doch immer wieder gerne das ein oder andere Buch aus diesem Genre. Nevernight von Jay Kristoff ist für mich keine klassische Fantasy Literatur, sondern eher ein Werk, dass diesen Begriff nur rudimentär streift. Sieht man einmal von den Magikern in der Roten Kirche und von den Fähigkeiten Mias ab, ist nicht wirklich viel Fantasy in dem Buch vorhanden (was allerdings definitiv kein Kritikpunkt sein soll). Die Geschichte rund um Mia hätte auch im alten Rom oder im Mittelalter spielen können, irgendwo in Europa. Ähnlichkeiten gibt es dafür zuhauf.

Bereits nach dem ersten Satz des Buches („Wenn Menschen sterben, scheißen sie sich oft in die Hosen“) hatte Jay Kristoff meine volle Aufmerksamkeit und ich eine erste Ahnung was mich erwarten würde. Hin und wieder ist Nevernight ziemlich vulgär geschrieben, wer mit Fäkälausdrücken also so seine Probleme hat, wird einiges einstecken müssen. Aber diese Vulgarität ist nicht aufgesetzt, sondern vielmehr Mittel zum Zweck. Sie gibt genau die Welt wieder, in der die Handllung spielt. Es ist eine ungerechte und brutale Welt, eine Welt, in der das Schlechte siegt und die definitiv nicht für Schöngeister geeignet ist. Und von dieser Welt ist Mia geprägt worden.

Das Nevernight dann doch nicht so düster daherkommt wie man vielleicht vermuten könnte, liegt daran, dass es der Autor immer wieder versteht, auch saukomische Situation zu schildern und eine lockere und äußerst humorvolle Schreibweise an den Tag legt. In diese Hinsicht sind die Fussnoten Segen und Fluch zugleich. In der Regel werden dort immer recht lustige Anekdoten erzählt, die oftmals zum Schmunzeln Anlass geben, aber, und das ist der Nachteil, von denen es einfach zu viele gibt. Wenn man die Fussnoten lesen möchte, muss man sich immer wieder vom eigentlichen Text abwenden und das unterbricht den Lesefluss einfach zu oft. Mit der Zeit wird es dann einfach nur nervig und gerade da hatte ich meine ersten Durchhänger. Glücklicherweise ändert sich das aber im Verlauf des Buches und die Fussnoten werden immer seltener.

Der Einstieg in die Geschichte ist recht interessant. Quasi parallel werden zwei Begebenheiten in Mias Leben geschildert – ihr erster Mord und ihr erster Sex. Es ist schon fast verstörend, wie unglaublich identisch diese zwei grundverschiedenen „Tätigkeiten“ ablaufen können und wieviel Gemeinsamkeiten sie doch haben. Raffiniert wechselt Kristoff im weiteren Verlauf der Geschichte immer wieder die Erzählebene. Der Leser erlebt mit, wie Mia sich auf die Suche nach der Roten Kirche begibt und auf dem Weg dorthin den jungen Tric kennenlernt. Wir erleben die tödliche Ausbildung zur Assassine mit, bei der mehr als einer ihrer Mitschüler das Zeitliche segnet, und ihren Triumph, der gleichzeitig auch ihr Scheitern bedeutet.

„Unterbrochen“ werden diese Ereignisse immer wieder durch Rückblenden in Mias früheres Leben, so dass man immer mehr über sie erfährt und so viele ihrer Handlungen besser nachvollziehen kann. Der Clou der Geschichte erfolgt jedoch dann, als man schon gar nicht mehr damit gerechnet hat (und Mia, die vermeintliche Versagerin, wohl selbst am Allerwenigsten). Der Verrat lauert überall und bricht sich Bahn. Ab diesem Zeitpunkt wird die Geschichte dann noch actionreicher und noch spannender als zuvor. Ach ja, und noch trauriger.

Die Charaktere sind schön ausgearbeitet und man muss am Ende feststellen, dass man sich in manchen aber mal so richtig getäuscht hat. Von Mia, der Hauptprotagonistin, erfährt man natürlich am meisten, auch die Geschichte von Tric wird im weiteren Verlauf immer deutlicher. Dann gibt es noch vier oder fünf von Mias Mitbewerben, die eine kleine, aber wichtige Rolle spielen und mehr als nur namentlich erwähnt werden. Die Krönung sind jedoch die Meister der Assassinen. Einigen von ihnen würde man noch nicht einmal sein eigenes Haustier anvertrauen wollen, geschweige denn die eigenen Kinder. Dennoch sind sie Meister ihres Faches, auch wenn sie nicht davor zurückschrecken, ihre Schüler kollektiv zu vergiften oder im Kampf kurz und klein zu schlagen.

Genauso wie die Handlung der Geschichte, konnte mich auch die Welt die Jay Kristoff kreiert hat überzeugen. Wie oben schon beschrieben, erinnert sie sehr an das römische Reich, mit all seinen Senatoren, Zenturios, Legionären, Tempeln und Vielgöttern. Die magischen Fähigkeiten von Adonai und und seiner Schwester Marielle sind wirklich phantastisch, ebenso die Fähigkeit von Mia als Dunkelinn. Auch die Erfindung von Herrn Freundlich, der sich von der Angst Mias ernährt und sie damit zu einem furchtlosen Mädchen macht, ist spannend und hintergründig, denn offensichtlich liegt da noch einiges im Argen. Die Assassinen Bruderschaft, sicherlich ein alter Hut in der Literatur, ist durchwegs gut ausgarbeitet, wie übrigens auch der Bibliothekar der Roten Kirche (samt seinen Bücherwürmern), und runden für mich das Gesamtwerk stimmig ab.

Wer mehr über die Welt von Jay Krisoff wissen möchte, findet auf den ersten und den letzten beiden Seiten einen geografischen Überblick über die Republik Itreya und die Stadt Gottesgrab.

Fazit
Sehr kurzweilig, spannend und mit viel Humor geschrieben. Eine tolle Welt mit vielen tollen Charakteren. Es passiert mir nicht oft, aber hier kann ich wirklich mit Überzeugung sagen: „Für MICH hätte das Buch noch zweihundert Seiten mehr haben können!“ Und das sagt doch schon alles, oder? Für mich ein absoluter Volltreffer und ich warte jetzt schon sehnsüchtig auf den Folgeband.
 


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