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Kira Jane Buxton

Hollow Kingdom: Das Jahr der Krähe


 
»Hollow Kingdom: Das Jahr der Krähe« von Kira Jane Buxton


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4)

 
 
Als Big Jim ein Auge aus dem Kopf springt und er aufhört, mit seinem Bloodhound Dennis spazieren zu gehen, ahnt die domestizierte Krähe S.T., dass irgendetwas nicht stimmt. Aber es kommt noch schlimmer: Ganz Seattle verwandelt sich binnen Kurzem in ein Trümmerfeld, Nachbarn wechseln in den Berserkermodus und bringen sich gegenseitig um, und sogar das Fernsehprogramm fällt aus. S.T. und Dennis beschließen, nach dem Ursprung der Katastrophe zu suchen, und begeben sich auf eine Odyssee durch die zerstörte Stadt ...

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Ich muss gestehen, dass mir das vorliegende Buch von Kira Jane Buxton als nicht angefordertes Rezensionsexemplar vom Verlag zugeschickt wurde. Wenn ich ehrlich bin, hätte ich es auch selbst gar nicht erst angefordert, da es mich vom Inhalt her nicht besonders angesprochen hat. Als mir der Postbote die Sendung dann vor die Haustür gelegt und ich es ausgepackt hatte, hielt ich es ratlos in den Händen und dachte nur: „Watt is datt denn?“ Da ich es aber dennoch ausgesprochen nett vom Fischer Tor Verlag fand, habe ich das Buch natürlich gelesen und wurde, und das meine ich auch wirklich ernst, angenehm überrascht.

Ich habe ja schon viele Bücher gelesen die aus der Sicht von Tieren geschrieben wurden, zum Beispiel aus der Sicht eines Schafes (Leonie Swanns Glennkill) oder aus der eines Wolfes (Gary Kilworths Fürst der Wölfe) oder aus der Sicht eines Mammuts (Stephen Baxters Mammut Trilogie), ja, sogar schon aus der Sicht eines untoten Zombies (Isaac Marions Warm bodies), aber ein Buch, geschrieben aus der Sicht einer Krähe, nein, das war mir neu. Oder, mal überlegen… … … … nein, hatte ich noch nicht.

Die ersten Kapitel lasen sich allerdings recht gewöhnungsbedürftig. Der Vogel, und somit auch der Hauptprotagonist Shit Turd, kurz S. T. genannt, ist eine klugscheißerische, fluchende und manchmal zur Fäkalsprache neigende Krähe. Das soll den Text vermutlich etwas aufheitern, kommt bei mir aber erstmal nicht so wirklich gut an. S. T. ist dadurch weniger eine Krähe, als vielmehr ein Mensch in Krähengestalt. S. T. sieht das ebenfalls so, betont er doch immer wieder, dass er von seinem Besitzer Big Jim geprägt ist und selbst gerne ein Mensch wäre. S. Ts. bester Freund ist der Bluthund Dennis, dessen Herrchen ebenfalls Big Jim ist, und der von S. T. dem Leser als „Bluthund mit dem IQ eines toten Oppums“ vorgestellt wird. Im Gegensatz zu S. T. kann Dennis aber interessanterweise nicht sprechen, bzw. sich den anderen Tieren verständlich machen. Warum, wird leider nicht erklärt.

Das Buch handelt davon, wie S. T. und Dennis ihr zuhause verlassen und sich auf den Weg machen, um Menschen zu finden, die Big Jim und den anderen, zu Zombies gewordenen Menschen in Seattle, helfen können. S. T. geht davon aus, dass die Zombiefizierung örtlich begrenzt ist und er früher oder später auf „normale“ Menschen treffen wird. Hilfe erhofft er sich von dem sagenhaften Onida, einem Riesenkraken, von dem er allerdings nicht weiß, ob er wirklich existiert und wenn ja, wo genau das ist. Auf seiner Suche trifft er auf allerlei andere Tiere, tauscht sich mit ihnen aus und wird Mitglied in einem Schwarm. Gegen Ende der Geschichte muss ich S. T. allerdings der bitteren Wahrheit stellen, die wir als Leser aber schon vermutet haben: Es gibt keine normalen Menschen mehr, die Tiere sind auf sich allein gestellt und müssen endlich mal zusammenhalten, wollen auch sie nicht dem Untergang geweiht sein.

Neben einer durchaus ansprechenden Story würzt die Autorin ihr Geschichte noch mit einigen interessanten Aspekten. Auch in der Tierwelt gibt es eine Art Internet, eine Kommunikationsebene für alle Tiere, zwar nicht so technisch wie das WWW, aber durchaus vergleichbar. Das Internet für die Tiere auf der Erde nennt sich ECHO, für die Tiere im Wasser ist es AURA. Onida, die Riesenkrake, beschreibt es so: Man lauscht dem Atem des Ozeans, dem Gesang der Wale, dem Summen einer Molluske, dem Zischen und Tuscheln des Planktons. Das klingt irgendwie sehr poetisch wie ich finde. ECHO und AURA sind miteinander verbunden.

Ein weiterer interessanter Aspekt an der Geschichte ist die Veränderung der zombiefizierten Menschen. Im Gegensatz zu den „üblichen“ Zombies aus anderen Büchern entwickeln sie sich weiter. Sie mutieren in kürzester Zeit körperlich, werden zu einer Art Spinnenwesen und arbeiten sich so langsam an die Spitze der Nahrungskette vor. Selbst ein Rudel Wölfe ist ihnen hoffnungslos unterlegen. Das erinnert sehr stark an die Extinction Cycle Reihe von Nicolas Smith und kommt bei mir genauso gut an (positiv gemeint).

Der Humor kommt ebenfalls nicht zu kurz. S. T. wird im Laufe der Story zwar etwas „gesitteter“, geizt aber weiterhin nicht mit einigen recht unkonventionellen Äußerungen oder Bemerkungen. Man sagt Menschen einer bestimmten Region immer gewisse Eigenschaften nach, der Schwaben sei geizig, der Rheinländer sei lustig, der Berlinern hätte eine freche Schnauze oder dem Norddeutschen Verschlossenheit und einen trockenen Humor. So ähnlich verhält es sich auch in S. Ts. Welt, wo jeder Tierart gewisse Eigenschaften unterstellt werden. Die Eichhörnchen sind die dauergeilen Rammler, die Krähen in der Nähe eines Colleges werden als arrogante Arschloch-Krähen tituliert und wenn man jemanden wirklich, aber so richtig, beleidigen will, sagt man er sei ein Pinguin, was einem totalen Volltrottel gleichkommt. Auch die Menschen werden allgemein nur als MoFos bezeichnet, die Abkürzung für Motherfucker. Des Weiteren sorgt auch Dennis immer wieder für eine gewisse Leichtigkeit in der Handlung.

Das Buch wird aber nicht nur aus der Sicht von S. T. geschildert. Es gibt zahlreiche Kurzkapitel in denen auch andere Tiere zu Wort kommen – ein Pudel, eine Katze oder eine Eisbärin. Dann wird der momentane Status der Welt aus deren Sicht geschildert. Im Laufe der Geschichte treffen dann viele von ihnen irgendwann aufeinander und der Kreis schließt sich.

Der einzige Schwachpunkt der Story ist für mich der Grund warum die Menschen zu Zombies geworden sind. Das ist alles recht nebulös von Frau Buxton dargelegt. Wenn es wirklich so sein sollte, dass sie durch den übermäßigen Gebrauch von Elektronik und Mobilfunkgeräten zu Zombies wurden, ist das einmal recht schwach und zudem noch recht plakativ. Das wir uns viel zu sehr mit dem Zeugs beschäftigen ist klar, aber wieso sollte uns das zu Zombies machen, die in extrem kurzer Zeit zu einer Art Spinnentier mutieren? Eventuell wurde sie ja durch Stephen Kings Buch Puls dazu inspiriert.

Fazit
Hollow Kingdom hat mich in der Tat sehr positiv überrascht. Es ist eine Geschichte, in der sich Humor und Tragik, Zoten und eine gewisse Art von Poesie, die Hand geben. Es ist immer wieder interessant, wenn man die Welt der Menschen durch die Augen von Tieren betrachtet (obwohl das ja eigentlich auch nur die Ansichten eines Menschen sind, der sich in die Denkweise eines Tieres reinzusetzen versucht), aber dennoch kann es einen manchmal recht nachdenklich stimmen. Auch wenn mich die Gossensprache von S. T. nicht immer amüsiert hat, ist die Schreibe von Frau Buxton leicht und gut lesbar. Mir hat das Buch gut gefallen, ich kann es weiterempfehlen.
 


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