Heinrich Steinfest
Das grüne Rollo
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»Das grüne Rollo« von Heinrich Steinfest
Theo ist 10 Jahre alt und gerade aufs Gymnasium gekommen. Er lebt mit seinen Eltern und den älteren Geschwistern in einer Wohnung ohne Vorhänge. Seine Eltern wollen sich nicht verbarrikadieren, man sei schließlich nicht im Krieg.
Eines Nachts um 23.02 Uhr erscheint ein grünes Rollo vor Theos Fenster. Durch das Rollo ertönt Meeresbrausen und man scheint auf eine völlig andere Landschaft zu schauen als auf das Häusermeer, das gewöhnlich zu sehen ist. Fortan erscheint jede Nacht pünktlich um 23.02 Uhr das grüne Rollo. Theo erblickt ein Mädchen, das an ein Laufband angeleint ist und so gezwungen ist, ständig zu laufen. Auch sieht er Menschen mit Ferngläsern, die ihn von der anderen Seite des Rollos anschauen.
Eines Tages entschließt er sich, durch das Rollo hindurch zu gehen. Es gelingt ihm, das Mädchen zu befreien und mit hinüber auf „seine“ Seite zu nehmen. Seine ganze Familie erkennt sie problemlos als seine jüngere Schwester Anna an, allein er erinnert sich an eine andere Wirklichkeit. Einige Tage später erscheint das Rollo wieder und Theo spürt eine Bedrohung von dem grünen Land hinter dem Rollo ausgehen. Seine Tante nimmt schließlich das Rollo mit. Theo wird erwachsen und glaubt irgendwann selbst, dass die ganze Geschichte eine Spinnerei seiner Kindheit gewesen war.
Vierzig Jahre später ist Theo als Astronaut unterwegs zum Mars. Unterwegs erfährt er, dass Anna verschwunden ist. Kurz danach taucht das grüne Rollo wieder auf und Theo geht noch einmal hindurch. Er ist überzeugt davon, dass Anna wieder im grünen Land ist. Es hat sich viel verändert in den 40 Jahren. Ein Bürgerkrieg ist ausgebrochen. Theo sieht Anna wieder und kann sich endlich erklären, was es mit grünen Land und dem grünen Rollo auf sich hat.
Im letzten Teil wartet noch eine Überraschung, die ich nicht erzähle.
Kommentar :
Aus der Sicht eines heute Fünfzigjährigen wird Theos Geschichte erzählt. Im Rückblick scheint die Geschichte des 10jährigen Theo logisch zu sein, wahr, irgendwie vernünftig. Als Erwachsener findet er den Mut, noch einmal in seine damalige Welt einzutauchen und sich den Ansichten und Einsichten des Kindes Theo zu öffnen. Dieser Teil des Buches ist brillant erzählt. Spannend, immer wieder auch witzig. Steinfests bereits aus seinen früheren Werken bekannter Hang zum Skurrilen öffnet neue Sichtweisen auf Dinge, die man zu kennen glaubt. Die Erzählung des Kindes aus der Sicht eines Erwachsenen wahrt gerade so eben die Balance zwischen Realität und Fiktion. „There is Life in our Brain“ steht auf Theos T-Shirt. Steinfest verführt zum Nachdenken über diesen Satz.
Im zweiten Teil geht es rascher voran. Theo ist nun 40 Jahre älter. Er war mit zwei Frauen verheiratet, hat fünf Kinder. Er ist auf dem Weg zum Mars als das Rollo wieder erscheint. Nun sieht die Welt jenseits des Rollos aber anders aus. Der erwachsene Theo kann die kindliche Phantasie nicht wieder auferstehen lassen. Nichts ist so, wie er als Kind annahm. Auch das Trommelfeuer der Steinfest‘schen Einfälle ist nun nicht mehr ganz so laut.
Den dritten und letzten Teil könne man auch weglassen, da er nur eine mögliche Erklärung für das Geschehen zeige, äußerte Steinfest bei der Vorstellung seines Buches. Wer diesen Teil liest, tut dies auf eigene Gefahr.
Alle Figuren sind lebendig gestaltet. Man scheint sie zu kennen, die Eltern, die unterschiedlichen Geschwister, die beiden Ehefrauen, die Kinder. Vieles, was sie tun und sagen, entspricht der eigenen Erfahrung.
Spaß macht die Rückschau auf die Welt von 2010 aus der 2050er Sicht. Steinfest nimmt hier einige aktuelle Fäden auf und lässt Theo schildern, wie sich alles weiter entwickelt hat. Zu meiner großen Erleichterung ist zum Beispiel die ganze Datensammelwut unter der Last der Massen an gesammelten Daten zusammengebrochen.
Das Cover ist wunderschön gestaltet und passt zur Geschichte. Der grüne Druck des Titels setzt sich im Buch fort. Dort werden alle Szenen, die auf der anderen Seite des Rollos spielen, ebenfalls grün gedruckt.
Fazit :
Das grüne Rollo ist ein unterhaltsames, ein ungewöhnliches Buch. Eben ein Steinfest. Es hat Elemente der Phantastik, von denen ich mir etwas mehr gewünscht hätte. Die skurrilen Elemente sind eine Stärke von Steinfest, die er auch in diesem Buch wieder zeigt.