Joe Haldeman
Camouflage
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»Camouflage« von Joe Haldeman
Eine Millionen Jahre bevor die Menschheit geboren wurde schlägt eine außerirdische Raumkapsel mit ihrem Piloten im Pazifischen Ozean auf. Um zu überleben, muss der Pilot, ein Gestaltwandler, das Raumschiff verlassen. Er nimmt unter anderem die Gestalt eines Haies an und durchstreift so Jahrtausende lang das Meer. Mit der Zeit vergisst er jedoch wo er herkam und was er ist.
Zeitwechsel, USA 2019: In einem Tiefseegraben irgendwo vor Tonga havariert ein amerikanisches U-Boot auf dem Grund des Meeres. Der mit der Bergung des U-Bootes beauftragte Offizier Jack Halliburton findet bei seiner Suche nicht nur das U-Boot, sondern ebenfalls ein Artefakt, dass nicht von dieser Welt sein kann. Er verschweigt den Fund dieses Artefaktes und kündigt daraufhin seinen Dienst bei den Streitkräften. Zusammen mit dem Ingenieur Russel Sutton will er auf eigene Faust und Kosten das Artefakt bergen um es finanziell und wissenschaftlich auszuschlachten. Der Plan gelingt und das Artefakt wird vor der Küste Samoas platziert um es von einem Team der NASA untersuchen zu lassen. Was alle an dem Unternehmen Beteiligten jedoch nicht wissen ist, dass sie in absehbarer Zeit Besuch empfangen werden. Nicht nur vom Besitzer des Artefaktes, der sich nach und nach wieder zu erinnern beginnt wer und was er ist, sondern auch von einer anderen Personen, einem zweiten Gestaltwandler, der ebenfalls seit Millionen von Jahren unerkannt auf der Erde lebt und keine weiteren Konkurrenten duldet.
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Mittlerweile ist es auch schon wieder über 10 Jahre her, dass von Joe Haldeman in „Good old Germany“ ein neues Buch veröffentlicht wurde – wenn, ja wenn es da nicht den Mantikore Verlag in Frankfurt geben würde. Offensichtlich hat man es sich dort zur Aufgabe gemacht die neueren Bücher des mit allen wichtigen internationalen Preisen ausgezeichneten Autors (Hugo Award, Nebula Award und Locus Award, alle für Der ewige Krieg ) zu veröffentlichen. So erschienen 2012 seine Werke Der Herr der Zeit (The Accidental Time Machine ) und Camouflage (Camouflage ), ein weiteres wird dieses Jahr noch folgen, die Gesamtausgabe zu Der ewige Krieg (The forever war, Forever Peace, Forever Free ). Eine, wie ich finde, begrüßenswerte Entwicklung.
Die vorliegende Idee von außerirdischen Besuchern auf der Erde ist wahrlich nicht neu, viele namhafte Autoren haben sich bereits daran versucht, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Offensichtlich war das für Haldeman jedoch kein Grund, nicht noch eine weitere Geschichte zu dem Thema folgen zu lassen. Auch wenn die Spannungskurve anhaltend flach ist (noch flacher und man würde den Patienten für tot erklären) und so gut wie keine Höhepunkte zu verzeichnen sind, übt sie auf mich doch einen gewissen Reiz aus. Sie entpuppt sich so ein bisschen als ein bunter Mix aus Das Nadelöhr von Hal Clement und Die Welt der Ptavv von Larry Niven. Von beiden etwas und das munter durcheinandergemischt.
Eine der Stärken dieser Geschichte ist für mich der ruhige und nicht auf Effekthascherei ausgerichtete Plot und Erzählstil. Das Buch ist im Grunde genommen völlig untechnisch und unterscheidet sich dadurch von allem, was ich in der letzten Zeit gelesen habe. Während sich Autoren wie Brin, Reynolds, Banks und wie sie alle heißen, die neuesten technischen Errungenschaften nur so um die Ohren hauen, vom world wide web erzählen mit dem man sich unter Zuhilfenahme von im Kopf implantierten Empfängern direkt austauschen kann oder von virtuellen Persönlichkeiten, die man sich in einen geklonten Körper uploaden kann um so unsterblich zu werden, schafft hier Haldeman eine schon fast altmodisch anmutende Atmosphäre. Das Buch atmet vielmehr den Hauch der 70er Jahre, als alles noch bodenständiger und überschaubarer war, und gerade das hebt es für mich so unglaublich wohltuend von den neueren Werken oben genannter Autoren ab. Es ist fast so, als wenn man aus einer Raucherkneipe hinaus in die freie Natur tritt, man kann durchatmen und bekommt den Kopf wieder frei. Frei von all dem technischen Schnickschnack und dem schon fast öden Einerlei das heutige, vermeintlich visionäre, SF Bücher zu bieten haben. Zur Aufmachung des Buches kann ich eigenlich nur sagen, dass mich das Titelbild als Leser nicht unbedingt vom Hocker reißt. Es ist zu nichtssagend und wirkt ausdruckslos. Auch das Lektorat hätte vielleicht einen Tick aufmerksamer arbeiten können denn ab und an fehlen mitunter schon mal ein paar Wörter im Satz. Kann passieren, muss aber nicht.
Sehr ausführlich hat sich Haldeman seinen beiden Hauptcharakteren, dem Chamäleon und dem Wechselbalg (so der Name der beiden Gestaltwandler), angenommen. Geradezu ausschweifend wird dabei die Geschichte vom Wechselbalg erzählt, das mal als Mensch, mal als Tier oder auch als Gegenstand den Lauf der Zeit erlebt. Seine eigentliche Geschichte beginnt im Jahr 1931 wo es zum ersten Mal aus dem Ozean steigt und die Gestalt eines Menschen annimmt. Es durchlebt viele Identitäten, je nachdem welche gerade hilfreich oder erwünscht ist. Als Mann lässt es sich zum US Marine ausbilden und nimmt an der Schlacht im Pazifik und am Todesmarsch von Bataan teil, als Frau verführt es den Ingenieur Russel Sutton um so in die Nähe des Artefakts, seines Raumschiffs, zu kommen. Das Chamäleon durchlebt eine ähnliche Geschichte und wird in den Konzentrationslagern unter anderem zum Handlanger Josef Mengeles. Hier zeigt sich auch schon die unterschiedliche Geisteshaltung beider Gestaltwandler. Beide töten im Laufe ihres menschlichen Lebens, jedoch macht es das Chamäleon aus Lust, das Wechselbalg aus Notwendigkeit, wobei letzteres auch zu Gefühlen wie Freundschaft, Liebe oder Mitleid fähig ist. Es vermenschlicht sich und wird damit auch angreifbar, denn seine Liebe zu Russel Sutton ist sein Schwachpunkt im Kampf mit dem Chamäleon.
Wo viel Licht ist, bleibt aber auch der Schatten nicht aus. Und davon hat Camouflage leider auch einiges zu bieten. Haldeman erklärt nicht wieso das Raumschiff im Pazifik aufgeschlagen ist. War es beschädigt? Aber warum kann es dann am Ende der Geschichte einfach so wieder starten? Wenn es nicht beschädigt war, warum musste es der Pilot um zu überleben verlassen? Und was war sein Auftrag? Auch die Herkunft des Chamäleons, des zweiten Gestaltwandlers, wird nicht erklärt. Da sich beide fremd sind und auch das Raumschiff keinen Rat weiß, müssen sie von unterschiedlichen Planeten gekommen sein. Das größte Manko ist jedoch das Ende. Wenn sie jemals dachten sie würden ein Buch kennen in dem das Ende plötzlich und unerwartet kam, kennen sie Camouflage noch nicht. Der Ausdruck –abrupt- wurde extra für dieses Buch erfunden. Nicht das das Ende schlecht wäre, es ist einfach nur auf einmal ... da. Wie Migräne oder der Herr von der Steuerfahndung, ohne Ankündigung, plötzlich und unerwartet. Das schmälert ein bisschen den Leseeindruck und irgendwie bin ich der Überzeugung, Haldeman hätte gerne noch weiter erzählt, musste aber aus irgendwelchen Gründen zum Ende kommen.
Mir persönlich hat das Buch wirklich gut gefallen. Obwohl es Höhepunkte ein wenig vermissen lässt, wurde es doch nicht langweilig. Die Geschichte rund um das Wechselbalg hat irgendwie Spaß gemacht, ist unkompliziert geschrieben und erinnert mich so ein wenig an „die gute alte Zeit“ eines Larry Niven, Poul Anderson oder Arthur C. Clarke. Für Leute, die auf technische Erzählungen, wissenschaftliche Fakten oder actionreiche Momente stehen, sicherlich weniger geeignet, denn damit kann Camouflage nicht aufwarten. Wer aber eine schöne Geschichte lesen möchte und ein Freund der eher ruhigen und unspektakulären Erzählkunst ist, dem wird das Buch gefallen. So wie mir.