John Scalzi
Das Syndrom
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»Das Syndrom« von John Scalzi
Das Haden-Syndrom, ein tödlicher Virus, hat Millionen von Menschen dahingerafft. Einer der wenigen Infizierten der diese Seuche überlebt hat ist Chris Shane. Obwohl sein Körper in einem Wachkoma (Lock-in genannt) liegt und vor sich hinvegetiert, arbeitet er als FBI Agent. Möglich macht das eine Technik, mit deren Hilfe er seinen Geist oder sein Bewusstsein in einen künstlichen Körper, einem Threep, herunterladen und auf diese Weise relativ „normal“ leben kann.
Aber nicht alle von dem Virus infizierten Menschen fallen in ein Wachkoma. Bei einigen wenigen wird die Hirnstruktur so verändert, dass sie quasi als menschliche Threeps, sogenannte Integratoren, fungieren können. Die im Wachkoma liegenden Menschen haben so die Möglichkeit, sich durch Anmietung eines Integrators, statt in einem künstlichen, in einem menschlichen Körper bewegen zu können. Die Integratoren werden für diese Anmietung bezahlt und verdienen sich so ihren Lebensunterhalt.
Shane soll nun mit seiner neuen Kollegin, Agent Vann, in einem mysteriösen Mordfall ermitteln. Einer jener Integratoren wird verdächtigt, einen Mann getötet zu haben. Nur kann sich dieser an nichts mehr erinnern. Shane und Vann drängt sich nun die Frage auf, ob der Integrator zur Tatzeit möglicherweise von dem Bewusstsein einer dritten Person gemietet war und somit nicht für den Mord verantwortlich gemacht werden kann. Im Zuge der weiteren Ermittlungen kommen die beiden Agenten einer riesigen Verschwörung auf die Spur.
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In seinem aktuellen Werk Das Syndrom (OT: Lock in) fokussiert sich Scalzi diesmal nicht auf einen Krieg im Weltraum oder auf einen Kontakt mit Außerirdischen, sondern liefert statt dessen einen lupenreinen (Cyber-)Krimi ab. Und das macht er richtig gut - gewohnt spannend und mit viel Wortwitz zwischen den beiden Hauptfiguren Vann und Shane. Die Handlung schreitet kontinuierlich voran und verzettelt sich nich in zahlreichen Nebensträngen. Ein Buch, dass man tatsächlich, auch aufgrund seiner "nur" 396 Seiten, in einem Rutsch lesen kann - denn auf eine künstliche Aufblähung der Geschichte verzichtet Scalzi dankenswerterweise.
Die Story ist mitunter zwar recht kompliziert, oftmals weiß man als Leser nicht wer gerade welchen Körper benutzt, macht aber dennoch Spaß. Es ist ein Fall, der nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist, sondern der erst im Laufe der Geschichte nach und nach aufgedeckt wird. Das sich aus dem anfänglichen möglichen Suizid ein Mordfall, und daraus gleich eine umfassende Verschwörung entwickelt, verwundert daher nicht sonderlich.
Auch die Ausführung über die Pandemie und ihre Folgen, wird von Scalzi so plastisch, eindringlich und logisch ausgeführt, dass man sich fragt, ob es wirklich fiktiv ist oder ob es sich nicht doch schon irgendwo ereignet hat. Es klingt glaubwürdig und nicht an den Haaren herbeigezogen – und wirkt gerade deshalb so beunruhigend und beängstigend. Die Tatsache das sich weltumspannende Konzerne an so einem Unglück bereichern wollen (es möglicherweise sogar bewusst herbeiführen) und dabei jeden Skrupel sausen lassen, ist ebenfalls nicht undenkbar und wurde auch von John le Carre in seinem Buch Der ewige Gärtner schön umgesetzt.
Die beiden Hauptcharaktere Vann und Shane sind erstklassige Ermittler und wirken glaubwürdig. Zudem sind sie stark in der Thematik verwurzelt. Shane als Haden in einem Threep Körper und Vann, die früher selber als Integratorin gearbeitet hat. Beide sind daher nachdrücklich an der Auflösung des Falles interessiert und lassen sich auch durch Attentate nicht aus der Ruhe bringen. Das sie die Übeltäter mit ihren eigenen Waffen zur Strecke bringen passt irgendwie.
Wer das Buch gelesen hat, wird sich vielleicht etwas an den 2009 erschienenen Film von Jonathan Mostow, Surrogates – Mein zweites Ich , erinnert fühlen. Für diesen Film mit Bruce Willis könnte Das Syndrom glatt die Vorgeschichte geliefert haben. Die Anleihen und Grundvoraussetzungen sind unübersehbar. In beiden Geschichten wird das menschliche Bewusstsein in einen künstlichen Körper integriert, während der eigentliche Körper zu Hause in einer Art Wachkoma liegt. Diese Integration ist im vorliegenden Buch jedoch nicht freiwillig, sondern für die vom Lock-in Syndrom Betroffenen nur eine von zwei Möglichkeiten mit der Welt zu interagieren. Zum Ende hin deutet sich jedoch der Versuch an, diese Art des „Lebens“ auch für Nichtbetroffene auf Freiwilligkeit anzubieten. Was könnte man nicht alles bewerkstelligen oder auch wagen, wenn man im einem künstlichen Körper unterwegs ist, während der eigene sicher zu Hause verwahrt ist. Ein Gedanke, der in Surrogates weitergesponnen und im Rahmen eines Krimis verarbeitet wird.
Fazit:
Ein schöner und unterhaltsamer Krimi. Recht kurzweilig und durch den typischen Humor Scalzis auch recht amüsant. Es würde mich nicht wundern, wenn der Autor noch öftes bei Shane und Vann vorbeischaut und sie weitere Fälle erleben läßt. Potenzial dazu wäre genug vorhanden. Eine lesenswerte Geschichte.