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Ligotti, Thomas

Edition Metzengerstein 17
In einer fremden Stadt, in einem fremden Land


 
»In einer fremden Stadt, in einem fremden Land« (Edition Metzengerstein 17) von Ligotti, Thomas


Besprochen von:
 
Markus M. Korb
Deine Wertung:
(5)

 
 
Wenn es einen Vertreter der zeitgenössischen Phantastik gibt, dessen Werke bei Erscheinen konsequent von der Fachwelt bejubelt und von den eingefleischten Fans von anspruchsvoller Horrorliteratur fanatisch gefeiert werden, so ist das Thomas Ligotti.

Von einem Insidertipp der 80er Jahre erreichte er durch die Verleihung verschiedener Preise (z.B. den Bram-Stoker Award) einen höheren Bekanntheitsgrad im angloamerikanischen Raum. Wie kann man das Phänomen Ligotti erklären, wo er doch stets „nur“ Kurzgeschichten schreibt und keinen einzigen Roman veröffentlicht hat (Ligotti denkt gar nicht daran, dies jemals zu tun)? Im Festa-Verlag liegt nun schon der zweite Band mit Kurzgeschichten von Ligotti vor, nachdem „Theatro Grottesquo“ in der Fachpresse ein durchschlagender Erfolg beschieden war. Kann dieser neue Kurzgeschichtenband halten, was der Name Ligotti verspricht?

Das Buch wird durch einen Umschlag von H.R. Giger aus der Masse der Publikationen herausgehoben. Sofort fühlt man sich in eine surreale Stimmung versetzt und ist hervorragend auf die Lektüre eingestimmt. Dem Schöpfer des „Alien“ ist mit diesem Gemälde wieder ein Meisterwerk des surrealen Realismus gelungen, der in der phantastischen Kunst (immer noch) unerreicht ist.

Gleich die erste Geschichte „Sein Geist wird zu einem höheren Haus aufsteigen“ führt auf beispielhafte Weise in die Sprachwelt von Thomas Ligotti ein. Scheinbar harmlose Worte wirken in ihrer geballten Form barock. Aber die Handlung einer Story zu beschreiben ist an sich ein kleiner Frevel. Denn vordergründig betrachtet ist sie es nicht, was den unglaublichen Reiz einer Ligotti-Geschichte ausmacht - wer also blutrünstige Monster mit 30 Tentakelarmen erwartet, muss sich bei anderen Autoren umsehen. Ligotti hingegen ist ein Meister der Andeutung, der Verdunkelung und Verrätselung der Welt. Bei ihm bricht das Unheimliche nicht in die Story ein - nein: das Grausame ist schon immer da gewesen!

„Der Schatten am Grund der Welt“ beschreibt ein Ding, das im Boden wächst und scheinbar bis ins Herz der Erde reicht. Es verwächst mit einer Vogelscheuche und erweckt sie zum Leben. Später tauchen Erscheinungen in der Natur auf, die noch subtiler und boshafter geschildert werden als in Lovecrafts „Die Farbe aus dem All“. Eine Geschichte im Herbst, über den Herbst an sich und über den Herbst in unser aller Seelen. Grausig und perfekt!

Es gibt zur Zeit keinen zeitgenössischen Autoren der unheimlichen Phantastik, der es mit Thomas Ligotti aufnehmen kann. Seine Sprache ist nicht nur Mittel zum Zweck, sondern sie ist ein Kunstwerk an sich. Die Verrätselung der geschilderten Welt, die der unseren gleicht, ist total und unauflöslich. An diesem Punkt nähert sich Ligotti an Franz Kafka an, der eine ebenso merkwürdige Weltperspektive gezeichnet hat. An anderen Stellen wirkt der Geist Poes, wohingegen lovecraftsche Ideenwelten für die Zeichnung der Charaktere Pate standen.

Diese Kurzgeschichten sind nichts für Warmduscher und Schattenparker - das ist unheimliche Phantastik in bester Form und Manier! Frank Festa hat mit der Veröffentlichung von Ligottis Werken Geschmack und Mut bewiesen. Ich wünsche mir, dass der Festa-Verlag diesen Weg weiter gehen wird!

Thomas Ligottis Geschichten sind wie guter Wein - man genießt sie am besten in kleinen Schlucken, ansonsten ist das Buch viel zu früh zu Ende, weil man es gierig verschlingt!!!

Meine Wertung: 10 von 10 Sternen!
 


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