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Tad Williams

Bobby Dollar 1
Die dunklen Gassen des Himmels

  • Autor:Tad Williams
  • Titel: Die dunklen Gassen des Himmels
  • Serie:Bobby Dollar 1
  • Genre:Fantasy
  • Einband:Hardcover
  • Verlag:Klett-Cotta
  • Datum:24 Juli 2013
  • Preis:22,95 EUR

 
»Die dunklen Gassen des Himmels« (Bobby Dollar 1) von Tad Williams


Besprochen von:
 
Flavius
Deine Wertung:
(3.5)

 
 
Über das, was alles so passieren kann wenn sich die Seele eines gerade frisch Verstorbenen auf Nimmerwiedersehen verabschiedet und weder im Himmel noch in der Hölle landet, macht sich Tad Williams in seiner neuen Bobby Dollar Reihe so seine Gedanken. Da wir als Leser ja unbedingt eine Schublade brauchen in die wir „Dinge“ packen können, ist die Geschichte dem Genre Urban Fantasy zuzuordnen. Vom Klappentext her liest sich das Buch auf jeden Fall schon mal wirklich recht interessant und unterhaltsam. Was letzten Endes jedoch dabei herausgekommen ist, kann mich jedoch weder als Leser, noch als Christ, so recht vom Hocker hauen. Schlecht ist es wirklich nicht und ich habe auch keine besonders hohen Maßstäbe die ich an meine Bücher lege, aber Die dunklen Gassen des Himmels (Original The Dirty Streets of Heaven) entpuppt sich als nicht besonders einfallsreiche oder gar originelle Geschichte. Das ganze ist ein müder Aufguss, bzw. Mischmasch, aus der Sandman Slim Reihe von Richard Kadrey und dem Film Gods Army von Gregory Widen. Aus allem ist etwas zu finden.

Genau wie in Gods Army, sind in dem Buch von Williams der Himmel und die Hölle auf der Suche nach einer verloren gegangenen, oder besser gesagt nach einer mit Absicht versteckt wordenen, Seele. Als vorerst angebliche Schlüsselfigur in diesem Versteckspiel wird der (Anwalts-) Engel Bobby Dollar ausgemacht. Dieser hat jedoch von Tuten und Blasen keine Ahnung und macht sich seinerseits selbst auf die Suche um das Rätsel zu lösen. Dabei tappt er wie ein Elefant im Porzellanladen umher und tritt dabei fast jedem, egal ob Freund oder Feind, auf die Füße. Seine Kommentare und Verbalinjurien stehen denen eines Sandman Slims, der sich in der gleichnamigen Reihe ebenfalls gegen Engel und Dämonen behaupten muss, in Nichts nach. Allerdings ist Dollar dabei nicht annähernd so eine coole Sau wie der Sandman.

Die Idee, dass ein Verstorbener kurz nach seinem Tod vor eine Art himmlisches Gericht gestellt und dort über seine weitere Karriere als Engel oder Opfer der Hölle entschieden wird, ist ja erst mal nicht schlecht. Das er dabei vor Gericht von einem höllischen Ankläger beschuldigt und von einem himmlischen Verteidiger vertreten wird, hat auch etwas – nämlich etwas für mich völlig groteskes. Sollte ich lachen oder weinen? Bin ich vielleicht zu streng, wenn ich von einem Autoren, der hier christliche Themen anschneidet, erwarte, dass er sich wenigstens etwas mit der Materie beschäftigt? Oder fällt das ganze unter den Begriff „künstlerische Freiheit“ wenn Williams aus allem eine Farce macht? Ein Himmlisches-Engel-Sondereinsatzkommando (gleichzusetzen mit einem SEAL oder Ranger Trupp der amerikanischen Streitkräfte), dem Fegefeuer (in das man für ein paar tausend Jahre verbannt werden kann um dort seine Schuld abzusitzen) oder die natürlich nicht fehlen dürfende Liebesgeschichte zwischen Bobby Dollar und der Dämonin Coldhands (die natürlich selber nur ein Opfer ihrer ach so bitteren Lebensumstände wurde und darum in der Hölle landete). Wen so etwas interessiert, der sollte vielleicht Tagebuch aus der Hölle von Jeffrey Thomas lesen, der gerade das letzte Thema wesentlich besser abhandelt als Williams, der einfach nur ein weiteres Kapitel aus den Memoiren der Fanny Hill erzählt. Irgendwie ist das alles nichts Halbes und nichts Ganzes. Zwar nett zu lesen, aber dennoch nur eine oberflächliche Unterhaltung ohne wirklichen Tiefgang. Vielleicht erwarte ich auch einfach nur zuviel von einer simplen Fantasy Geschichte (oder interpretiere meinerseits zu viel hinein), aber gerade dieses Thema ist es für mich wert, etwas tiefgründiger behandelt zu werden.

**Spoilerwarnung Anfang**
Der Knackpunkt der Geschichte, warum und wieso die Seele von Edward Walker verschwinden konnte, ist für mich schlichtweg aus den Fingern gesogen und nicht nachvollziehbar. Da sind sich ein paar Engel offenbar einig, dass der Himmel doch nicht ein so toller Ort ist und konspirieren darum anschließend mit ein paar Dämonen, um einen "Dritten Weg" zu kreieren. Eine Alternative zum Himmel und zur Hölle. Und? Was jetzt? Teufel und Gott bekommen von alldem nichts mit? Das die Engel einen dritten Weg beschreiten wollen weil sie mit dem Himmel nicht mehr einverstanden sind, ist ja OK, aber warum machen die Dämonen da mit? Aus Nächstenliebe? Was haben sie davon, wenn zukünftig niemand mehr bei ihnen in der Hölle landet? Ne, diese Erklärung von Williams ist mir einfach zu abgedroschen, zu oberflächlich.
**Spoilerwarnung Ende**

Wer auf Action a la "Yippie Ya Yeah Schweinebacke“ (eine kleine Anspielung auf den für mich doch recht tragischen, dafür aber ungemein sympathischen, Fatback) oder „Hasta la vista, Baby“ steht, ist mit dem Buch gut bedient, denn Dollar kämpft, schlägt und prügelt sich geradezu durch das fiktive Örtchen San Judas. Nicht gerade das, was man von einem Engel erwartet. Das ist aber nicht weiter tragisch, da er sich im Erdeinsatz befindet und deshalb nicht den üblichen Gepflogenheiten der himmlischen Engel (oder Seelen) obliegt. Aber Dollar kann auch recht tiefsinnig und nachdenklich sein. Er hinterfragt quasi alles und jedes. Gerade in diesen Passagen gefällt er mir deutlich besser, als wenn er sich mit Klamauk und Härte durch die Handlung kämpft. Meines Erachtens wäre das Buch erheblich besser geworden, wenn sich Williams etwas ernster mit dem Thema beschäftigt hätte. Das Potenzial ist durchaus gegeben. Etwa wenn sich die gerade frisch Verstorbenen vor dem Gericht wiederfinden und anfangen zu begreifen, dass ihr Leben auf der Erde doch Konsequenzen nach sich zieht und sie sich für alles gesagte und nichtgesagte, für alles gemachte und nichtgemachte, verantworten müssen. Das hat, gerade in dem Fall von Brady Tillotson, schon eine geradezu ungeahnte Tragik. Etwas, worüber man durchaus mal nachdenken sollte. Vielleicht bin ich aber auch nur der Einzige, dem bei dem Film Ghost – Nachricht von Sam, eine Gänsehaut über den Rücken lief wenn sich dort das Schicksal der Verstorbenen entschied. Ähnlich wie in diesem Buch, blieb der Weg ins Licht oder von verzerrten und stöhnenden Gestalten in die Hölle gezogen zu werden - und das immerhin für alle Ewigkeit, ohne Chance auf eine Begnadigung oder Wiederaufnahme das Verfahrens.

Aber so, wie Williams es umgesetzt hat, ist es für mich persönlich einfach nur ein Versatzstück der Marke „Alles schon mal da gewesen“. Zumindest liest es sich leicht und unkompliziert und kann mit einem wirklich tollen Cover aufwarten. So in der Mitte gibt es für mich einen kleinen Durchhänger. Hier tritt die Geschichte auf der Stelle und hat außer einigen Verfolgungsjagden und nicht zielführenden Aktionen nicht mehr viel zu bieten. Schade auch, dass Williams nicht auf das frühere Leben seiner Engel eingeht. Es wäre mit Sicherheit recht interessant gewesen zu erfahren, wer Bobby, Clarence, Monica oder Sam vor ihrem Dasein als Engel gewesen sind. Da es aber weitere Bände der Reihe geben wird, vermute ich mal, dass Williams die Auflösung dieses Geheimnisses auf später verschoben hat.
 


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