Thomas Thiemeyer Chroniken der Weltensucher 2
Der Palast des Poseidon
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»Der Palast des Poseidon« (Chroniken der Weltensucher 2) von Thomas Thiemeyer
Vor der Inselgruppe Santorin geht das Dampfschiff Kornelia unter mysteriösen Umständen verloren. Der einzige Überlebende ist der Kapitän des Schiffes. Dieser erzählt nach seiner Rettung eine unglaubliche Geschichte von einem Seeungeheuer, das sein Schiff in die eisigen Fluten gezogen haben soll. Grund genug für den Unternehmer und Vize-Eigentümer des Schiffes, Stavros Nikomedes, sich der Sache anzunehmen. Er beauftragt Carl Friedrich Donhauser (aka von Humboldt) und sein „Team“ der Weltensucher die Hintergründe des Untergangs zu untersuchen und der Sache auf den Grund zu gehen. Als der Großvater von Stavros, Archytas Nikomedes, der gleichzeitig auch der Besitzer der Reederei ist, von dem Vorhaben seines Neffen erfährt, heuert er einen Auftragsmörder an, genannt „der Norweger“, um von Humboldt zu töten. Offensichtlich hat Großvater Nikomedes etwas zu verbergen von dem er befürchtet, dass Humboldt es herausfinden könnte.
Die Reise führt von Humboldt und sein Team quer durch Europa, immer verfolgt vom Norweger, dessen Tötungsversuche glücklicherweise immer ins Leere laufen. In Frankreich bekommt von Humboldt von dem Physiker Nikola Tesla den ersten wirklich brauchbaren Hinweis. Tesla verweist ihn an den Forscher Hippolyte Rimbault und seine Tochter Oceanne. Da Rimbaut eine Bathysphäre (eine verbesserte Art der Taucherglocke) gebaut hat, mit der man das tiefe Meer erforschen kann, machen sich alle Beteiligten an Bord der Calypso in Richtung Santorin auf um die Umgebung, in der sich die Schiffsunglücke ereignet haben, zu untersuchen. Aber auch die Calypso wird von dem vermeintlichen Seeungeheuer in die Tiefe gezogen. Die Überlebenden der Katastrophe werden in eine unterirdische Stadt und zum Palast des Poseidon gebracht. Dort machen sie die Bekanntschaft von Alexander Livanos und einer Künstlichen Intelligenz namens Daron. Von Livanos erfahren sie eine unglaubliche Geschichte und die wahren Hintergründe der Schiffsunglücke. Gleichzeitig müssen sie einem schrecklichen Schicksal in die Augen sehen und um ihr Überleben kämpfen, denn Daron und ihre Schergen planen fürchterliches.
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Ich wage mal die Behauptung, dass es nicht allzu viele Autoren gibt, die den Spagat zwischen Jungendbuch und Erwachsenenliteratur so gekonnt zu meistern vermögen wie es Thomas Thiemeyer kann. Auch der vorliegende zweite Band der Reihe Chroniken der Weltensucher entpuppt sich erneut als ein waschechter Abenteuerroman, der auch für angehende Vierzigjährige ein Heidenspaß ist. Wieder einmal begeben sich Carl Friedrich von Humboldt, Oskar, Charlotte und Eliza auf ein Abenteuer, dass sie diesmal zwar nicht um die halbe Welt führt, dafür aber durch halb Europa. Die Gefahren und Abenteuer der Weltensucher stehen denen aus Band 1 in nichts nach. Ob es Meeresungetüme sind, die Schiffe in die dunklen Tiefen des Ägäischen Meeres ziehen, eine Künstliche Intelligenz, die eine untergegangene Kultur zu neuem Leben erweckt oder ein bezahlter Auftragsmörder, der unsere Helden mittels Giftpfeile ins Jenseits befördern will, Thiemeyer liefert hier wieder eine breite Palette seiner überbordenden Phantasie. Und das macht richtig Spaß zu lesen, auch wenn ich mich hin und wieder frage, ob von Humboldt wirklich ein verantwortungsvoller Mensch ist, wenn er sich von zwei Jungendlichen auf seine, durchaus vorhersehbar gefährlichen, Abenteuer begleiten lässt.
Obwohl Thiemeyer mit der Beschreibung einer künstlichen Intelligenz in einem Buch, das im Jahr 1893 spielt, etwas dick aufgetragen hat, tut es der Geschichte dennoch keinen Abbruch. Immerhin schildert er die KI nicht wie eine KI des 21. Jahrhunderts, sondern rechnet sie quasi auf die Gegebenheiten der Jahrhundertwende etwas herunter. Das nimmt dem ganzen dann glücklicherweise etwas von seiner Abstraktion und lässt die Geschichte nicht zu utopisch erscheinen. Auch die Roboter in der Unterwasserstadt sind mit den Robotern heutiger oder zukünftiger Zeiten nicht vergleichbar, da es immerhin noch kleine Sitze in den Maschinen gibt damit man sie aus dem Inneren heraus per Hand steuern kann. Für die Zukunft eine eher unwahrscheinliche Perspektive. So passt sich dann alles, KI und Roboter, wunderbar in die Welten eines Jules Vernes ein, der ebenfalls eine kleine Rolle in dem vorliegenden Buch spielt. Überhaupt scheint die ganze Geschichte eine Hommage an den französischen Schriftsteller und sein Werk Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer zu sein. Das macht das Buch nicht nur lesenswert, sondern auch irgendwie nostalgisch und anrührend.
Es ist schon komisch, da versuchen wir Menschen alles um das Weltall zu erkunden und in immer tiefere Bereiche des Alls vorzudringen, vernachlässigen gleichzeitig aber ein Stück weit die Entdeckungen die tief unten im Ozean noch auf uns warten. Vielleicht würden wir ja tatsächlich das verlorene Atlantis dort finden, tief unten in dunklen Meerestiefen, umgeben von riesigen Kreaturen die noch nie eines Menschen Auge erblickt hat. Es tut auch einfach mal gut in unserer schnelllebigen Zeit einen Gang zurück zu schalten und sich Zeit für Träume und Abenteuer zu nehmen. Einfach mal die Seele baumeln lassen und den Kopf wieder frei bekommen.
Das einzige, das ich bei solch einen Buch wirklich vermisse, sind Innenillustrationen. Da Thomas Thiemeyer nicht nur Autor, sondern auch Zeichner ist (das Cover des vorliegenden Buches wurde von ihm selber gezeichnet), würde sich das geradezu anbieten. Kleine Zeichnungen im Buch könnten es vielleicht noch stimmiger und atmosphärischer machen. Aber es gibt noch einen weiteren Punkt der mich nicht ganz befriedigt. Der Kniff den Kiwi Wilma, mit Hilfe einer technischen Apparatur, sprechen zu lassen, ist für mich nicht ganz gelungen. Hier wird es dann doch einen Tick zu kindisch für mich, denn sprechende Tiere toleriere ich bestenfalls noch in einem Disney-Film, aber weniger in einem Abenteuerbuch.
Das Ende ist dann wieder eine Spur zu rührselig. Nicht nur das Oskar erfährt wer sein Vater ist, nein, er bekommt gleich eine komplett neue Familie. Natürlich gönnt man dem jungen Kerl solch ein Happyend, ohne Frage, aber wenn selbst ich mir verstohlen ein kleines (aber wirklich nur klitzekleines) Tränchen aus dem Auge wischen muss, dann ist es wirklich sehr sentimental. Nichtsdestotrotz entpuppt sich die Reihe auch optisch zu einem Augenschmaus. Das Cover ist wieder einmal hervorragend gestaltet und lädt geradezu zum Träumen ein. Auch die anhängende Encyclopedia Humboldtica gibt ein paar wissenswerte und hilfreiche Kommentare zum Besten.
Fazit:
Für alle junggebliebenen Abenteurer ist das vorliegende Werk zu empfehlen. Fiktive Charaktere, gepaart mit einstmals real existierenden Personen, dazu jede Menge Action und Wissenswertes, liefern eine hervorragende Vorlage zu einem lesenswerten Buch und wecken gleichzeitig Lust auf weitere Abenteuer der Weltensucher.