V. K. Ludewig
Oper der Phantome
Buchlisten
»Oper der Phantome« von V. K. Ludewig
Völlig unvorbereitet trennt sich der Gestaltwandler Hector von seiner Frau Laura. Nach einem Schlaganfall ist er nicht mehr er selbst und sieht in der Beziehung keine Hoffnung mehr. Laura flüchtet nach London, um den Erinnerungen zu entkommen und irgendwie ein neues Leben zu beginnen.
Dort erreicht sie ein Brief von McGrath & Son, einer Geheimorganisation, die sich auf Portalaktivitäten spezialisiert hat. Laura lässt sich auf einen Probeauftrag ein und reist mit ihrer Kollegin Elle Carter nach Berlin. Denn an der Komischen Oper steht ein Portal kurz bevor, sich zu öffnen. Laura scheint prädestiniert für den Job, da sie Dank Ashby House auf alle möglichen und unmöglichen Aktivitäten vorbereitet wurde.
Das Cover zeigt einen düsteren Treppenaufgang, der von Säulen flankiert ist. Statt einer Tür ist ein gleißender Lichtschein in der Öffnung zu erkennen, durch die sich ein Person hindurch zu schieben versucht. Es wirkt auf mich unheimlich und spannend. Zusammen mit dem Klapptext kam ich deswegen einfach nicht an dem Buch vorbei.
Nachdem ich Ashby House gelesen hatte, war mir klar, dass ich nie wieder ein Buch von V.K. Ludewig lesen werde. Doch der Klapptext reizte mich dermaßen, dass ich einen zweiten Versuch mit dem Autor wagte. Zum Glück, wie ich gestehen muss, denn Oper der Phantome begeisterte mich von Seite zu Seite mehr.
Ludewig spricht seine Leser immer noch direkt an, was mich in dem Vorgänger Band so extrem gestört hatte. Doch hier ist es anders. Ganz anders. Er reißt mich mit diesen Sprüngen zwar aus der Geschichte, aber dadurch, dass es nicht so oft geschieht, störte mich dies weniger. Ja, es übte sogar einen gewissen Reiz auf mich aus. Während des Lesens war ich völlig versunken und diese kurzen, sehr direkten Einspieler wirkten wie ein kalter Wasserguss und half mir gleichzeitig, die Geschehnisse zu verdeutlichen und zu intensivieren. Sie verstärkten die Bedrohlichkeiten der einzelnen Situationen und führten mir gekonnt vor Augen, wie gefährlich die geschilderten Portalaktivitäten sind.
Faszinierend fand ich, dass Realität und Fiktion sich immer mehr vermischten, so dass eine klare Grenze überhaupt nicht ersichtlich war. Die Spannung steigert sich ins Unermesslich und ich ließ mich nicht nur von der Handlung gefangen nehmen, sondern auch in einen Strudel der Gewalt und des Abenteuers hinabreißen. Rückblickend war Ashby House eigentlich nur gut, um die Charaktere kennen zu lernen und mich auf die Portale vorzubereiten. Doch was mir dort an Spannung fehlte, kommt hier deutlich raus und ich konnte das Buch kaum zur Seite legen.
Ich kannte bis dato weder die Komische Oper Berlins, noch Rusalka von Antonín Dvorák. Natürlich betrieb ich eine Internetrecherche und stellte überrascht fest, dass Rusalka just dort aufgeführt. Ein Zufall? Oder sieht V.K. Ludewig mehr als wir? Realität? Fiktion? Zufall? Dank der Bilder, die ich im Internet gefunden habe, konnte ich mir die Örtlichkeiten perfekt vorstellen und die Bilder mit in die Handlung einfließen lassen. Ich finde es immer wieder schön, wenn Autoren wahre Begebenheiten mit in ihre Werke einfließen lassen, da es so für mich an Glaubwürdigkeit gewinnt und ein Bezug zur Realität gegeben ist. Gerne lasse ich mich auf solche Gedankenspiele ein. Dazu beigetragen habe die häufigen Rückblicke ins Jahr 1928, als Rusalka bereits einmal in der Komischen Oper Berlins aufgeführt wurde und es zu einem Eklat kam. Die Geschehnisse damals scheinen nur ein Vorgeschmack auf das gewesen zu sein, was die Oper heute erwartet, wenn die Mond-Arie erklingt.
Doch so außergewöhnlich die Handlung auch sein mag, erst durch die Protagonisten wird dem Buch wirklich Leben eingehaucht. Sie wirken authentisch, lebensnah und ich konnte sie jeder Zeit begleiten und ihren Handlungen folgen.
Besonders gut hat mir Laura Slasher gefallen. Während sie in Ashby House noch unsicher war, verwandelte sie sich durch die damaligen Begleitumstände in eine willensstarke und kämpferische Frau. Ihrem Modefimmel ist sie zum Glück treu geblieben, so dass sie nahbar wirkte. Schwere Schicksalsschläge, wie der Verlust ihres Freundes Jonathan Steerpike, die schwere Krankheit ihres Mannes und die vollzogene Trennung von ihrer Schwester, prägen und formen Laura zu einer eigenständigen Persönlichkeit. Stand sie zuvor im Schatten, wagt sie nun endlich den Sprung ins Licht.
Die anderen Personen umschwirren Laura zwar wie Motten das Licht und ohne sie, könnten diese nicht existieren, aber trotzdem kreierte der Autor jeden auf eine besondere Weise, so dass ein Verwechslung schier unmöglich wurde. Wie in einem Märchen gibt es die böse Hexe in Form von der Intendantin Konstanze Lange, einen wunderbaren Helden, den Gestaltwandler Hector Slasher, der sich bei Bedarf in einen Hund verwandeln kann und Freunde mit besonderen Fähigkeiten wie Elle Carter, die Gedanken löscht und Erinnerung ungeschehen macht.
Mein Fazit
Einfach großartig!