Harry Connolly Der strahlende Weg 1
Die Pforte der Schatten
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»Die Pforte der Schatten« (Der strahlende Weg 1) von Harry Connolly
Die Familie Italgar im Reich Peredain herrscht über die anderen Völker, denn sie hat das Monopol an ausgebildeten Magiern. Die Zauber lernen die Menschen durch die Besuche des „Abendvolks“ im Austausch gegen künstlerische Darbietungen. Der Besuch des Abendvolks und die Öffnung der Pforte nach 23 Jahren steht unmittelbar bevor. Doch statt des friedliebenden Volks gelangt ein Haufen Monster durch die Pforte und richtet ein Massaker an, das auch das Königspaar nicht überlebt. Nur eine kleine Gruppe, darunter Prinz Lar, sein treuer Veteran Tyr Treygar und die Zauberin Cazia können entkommen. So beginnt eine verzweifelte Mission, das Reich vor dem Untergang zu bewahren.
Meinung
Der erste Band der auf englisch „The Great Way“ lautenden Trilogie von Harry Connolly spielt in einer feudal anmutenden Zeit, in der zumeist rücksichtslose Tyre nach Herrschaft streben. Die Gefahr für die Helden ist zweifach: einerseits übermächtige Ungeheuer, andererseits Gefahr aus den eigenen Reihen, von machthungrigen Untergebenen und Nachbarn.
Das Weltuntergangsszenario mit den riesigen Monstern, die aus dem Nichts erscheinen, erinnert an die Serie „Attack on Titan“. Die Darstellung der Menschen ist tendentiell negativ, denn diese bekriegen sich selbst nach Einfall der Ungeheuer des eigenen Vorteils willen. Auch vor Absterben wichtiger Figuren und blutigen/schaurigen Szenen schreckt der Autor nicht zurück.
Bei Bedrohungen von außen und innen stehen die Helden vor einer nahezu unmöglichen Herausforderung. So scheint unwahrscheinlich, dass es am Ende dieser Odyssee noch viel zu retten gibt. Selbst eine Figur im Roman stellt die Frage: für solche Menschen hat man sich bemüht? Die menschlichen Greuel, die immer wieder vorkommen, lassen auch den Leser daran zweifeln, dass diese Welt es verdient hat, gerettet zu werden.
Der Roman fährt nicht wenige Fantasy-Elemente auf: Flugwagen, verschiedene Arten von Monstern, Magie sowie fremde Sprachen und Orte. Die Figuren und das Herrschaftssystem dagegen wirken verraut. Bekannte Rollen sind etwa der abgehärtete Veteran, die junge Magierin, der idealistische Held. Wir begleiten einige der Figuren über längere Strecken auf ihrer Reise, aber ihre Vergangenheit wird nie ausführlich behandelt, sondern nur kurz umrissen.
Nachdem die Gruppe ein Stück des Weges gemeinsam zurückgelegt hat, trennen sie sich in zwei Gruppen und die Handlung wird in zwei Stränge aufgeteilt. Die erste von zwei Hauptfiguren ist der Tyr Tejohn Treygar. Er ist im ganzen Reich berühmt und zeichnet sich durch unerschütterliche Treue seinem Herrscher und Land gegenüber aus. Der Kriegsveteran mit dem Spitznamen „Steingesicht“ sorgt sich um seine Familie, nachdem er seine erste Familie bereist verloren hat. Ebenso pflichtbewusst und eine begabte Kämpferin ist die junge Cazia Freibrunn mit ihren magischen Kräften. Sie wird die zweite Hauptperson, aus deren Perspektive wir alles miterleben.
„Die Pforte der Schatten“ bietet ein interessantes Magiesystem: mit Gesten und Vorstellungen im Geiste wird von jedem, der es gelernt hat, Übernatürliches vollbracht. Neuartig ist dabei die Tatsache, dass die Zaubernden ihre Gabe nicht zu intensiv nutzen können, ohne „hohl“ zu werden. An einer Figur der Reihe wird dies sogar hautnah vorgeführt. Die Passagen lesen sich faszinierend. Es könnte sich ebenso gut um die Schilderung von Alkoholismus handeln: die betroffene Person weiß genau, dass sie dadurch zu Schaden kommt, kann aber nicht anders als immer wieder zum „Heilmittel“ zu greifen, das sie ihre Einsamkeit und Traurigkeit für einen Moment vergessen lässt, bevor die verdrängten Gefühle umso stärker zurückkehren.
Auf den rund 600 Seiten wird viel gekämpft, geflohen und gereist, doch ist insgesamt wenig erreicht und Erkenntnisse halten sich in Grenzen. Mit anderen Worten: Die Handlung wird unnötig in die Länge gezogen. Als kleiner Kritikpunkt ist auch zu nennen, dass der Autor recht früh andeutet, was es mit den "Grunzern" auf sich hat, was dem Leser einen Wissensvorsprung verschafft.
Fazit:
Der Start von Connollys Trilogie ist über weite Strecken actiongefüllt, blutig und entwickelt eine düstere, hoffnungslose Stimmung. Vor allem das magische System und das Rätsel der Pforte sind vielversprechend. Dagegen entwickelt sich die Handlung an der Anzahl an Seiten gemessen nur unwesentlich weiter und die Charaktere bleiben größtenteils eindimensional.